Hat der “tiefe Staat” Erdogan als Geisel genommen?

Übersetzung – Sema Kahriman

Hallo, guten Tag. Beim Journalismus mit der neuen Technologie kann es immer wieder Probleme geben. Wir haben uns etwas verspätet, Verzeihung. Aber lasst uns jetzt da weitermachen wo wir aufgehört haben.

Anfang dieser Woche habe ich ein Thema aufgegriffen: Erdogan ist zwar an der Regierung, aber ist er auch der Staat? Der alte Ansatz: “Erdogan ist zwar an der Macht, in der Regierung, aber er ist nicht der Staat, er ist nicht fähig.” In letzter Zeit war dieser Ansatz ziemlich schwach aber wir sehen, dass er wieder stärker geworden ist. Kreise, die eine etatistische Perspektive haben und gegen Erdogan sind, verschonen den Staat. Das heißt sie mögen Erdogan nicht aber da sie den Staat mögen glauben sie nicht bzw. wollen sie nicht glauben, dass es eine Identifizierung zwischen dem Staat und Erdogan gibt. Sie wollen das nicht akzeptieren. Das ist aber nur ein Beispiel dazu. Das hatte ich auch am Anfang dieser Woche thematisiert.

Doch diese Sache hat auch eine andere Seite. Eine Seite weswegen ich diese Sendung mache: nämlich, dass Erdogan von dem “tiefen Staat” als Geisel genommen wurde. Manche sagen Ergenekon dazu – ein Ausdruck, der schon lange nicht gefallen ist. Ich habe beobachtet, dass dieser Ansatz in letzter Zeit wieder zum Vorschein gekommen ist. Diesbezüglich möchte ich einiges sagen.

Dieser Ansatz hat eigentlich zwei Seiten. Er kommt aus zwei verschiedenen Kreisen. Die einen sind natürlich die Gulenisten. Die Gulenisten möchten insbesondere verdecken, dass sie den Putschversuch am 15. Juli selbst geführt haben. Deshalb versuchen sie ein Makel bei dieser Angelegenheit zu finden und behaupten, dass eine Organisation, die sie zuvor mit Erdogan entlassen haben, ein Komplott erstellt haben. Sie beschuldigen Erdogan, um sich reinzuwaschen aber wissen auch, dass es nicht genügt Erdogan allein zu beschuldigen und fügen deswegen Ergenekon oder den “tiefen Staat” bzw. den alten “tiefen Staat” hinzu. Man kann nicht behaupten, dass das sehr einflussreich ist zumal die Gulenisten keine gewisse Macht mehr in der Türkei haben. Man kann auch nicht behaupten, dass ihre Sendungen aus dem Ausland die Türkei nennenswert erreichen. Wir sehen, dass einige aufgrund des Kurdenkonflikts, der Mäusebussard-Strategie, die Erdogan sich wieder angeeignet hat, die gemeinsame Politik mit Bahceli, die offene Unterstützung, die er in einigen Themen insbesondere in Dingen Kurden von Dogu Perincek bekommt, glauben, dass Erdogan von dem “Tiefen Staat” eingenommen oder Geisel genommen wurde. 

Zuletzt habe ich eine solche Aussage von dem HDP Abgeordneten Erol Katircioglu gesehen. Er ist nicht aus der Kurdischen Szene, sondern er kommt aus der Linken Szene. Auch von dem ex Chefredakteur der Cumhuriyet Zeitung, Autor Aydin Engin, der ebenso aus der Linken Szene kommt, habe ich eine solche Aussage gesehen. Ich sehe auch, dass Leute, die früher bei der AKP waren solche Aussagen tätigen. Insbesondere werden Erdogans Beziehungen mit Personen wie Mehmet Agar, Sedat Peker, Devlet Bahceli sehr oft mit diesem Thema in Verbindung gebracht. Es gibt Behauptungen darüber, dass einige Komponente des “tiefen Staates” im Staat sind, nicht nur das – sie teilen nicht nur die Regierung, sondern leiten Erdogan auf gewisse Weise. Ehrlich gesagt stimme ich da nicht zu. Ja, es herrscht eine interessante Atmosphäre. Ganz gewiss handeln diese Leute mit Erdogan, Erdogan hat kein Problem damit mit ihnen gemeinsame Fotos zu machen oder auf einige ihrer Aussagen würde Erdogan zB. vor 5 Jahren negativ reagieren, doch zurzeit sagt er nichts dazu. Aber heißt das, dass jemand anderes den Pfad hat? Ich denke nicht.

Ich denke das Problem besteht darin Erdogan zu verstehen oder nicht zu verstehen. Sein Pragmatismus, seine Phasengerechte neue Strategien, neue Komplizen und sein Ansatz neue Kader zu wählen wurde nicht ganz verstanden oder will nicht aufgefasst werden.

Es ist offensichtlich, dass Erdogan mit manchen Personen, mit Überbleibsel von dem was früher “tiefer Staat” genannt wurde zusammen handelt. Niemand verleugnet das. Meiner Meinung nach ist es keine korrekte Schlussfolgerung, dass der “tiefe Staat” seine Existenz wahrt und Erdogan um seine Finger gewickelt hat. Meiner Meinung nach wurde der “tiefe Staat” durch die AKP-Gulenisten-Allianz liquidiert. Nach dieser Reinigung hat Erdogan eine bestimmte Zeit und die AKP bestimmte Zeit eine Strecke zurückgelegt doch später als sich ihre Wege mit den Gulenisten getrennt haben, standen sie vor einem großen Problem. Er hat neue Unterstützer gebraucht, um gegen die Gulenisten vorzugehen und bräuchte neue Namen, um die Positionen zu belegen. Und so sehen wir, dass einige – nicht alle – der früheren Mächtigen, die während des Ergenekon Falles inhaftiert wurden, aus dem Gefängnis entlassen wurden und mit Erdogan alliieren. Ich finde, dass hierbei die Initiative immer noch in Erdogans Hand ist. Er sieht kein Problem darin.

Macht er das gewollt oder doch ungewollt? Ist das sein echter Weg? Das ist ein ganz anderes Diskussionsthema und ich glaube nicht, dass man konkret darauf antworten kann. Aber ich denke folgendes: Morgen könnte etwas anderes geschehen, eine andere Konjunktur könnte herrschen und diese Personen könnten wieder entlassen werden und ganz andere Menschen würden kommen. Obwohl, ich denke, dass es kein “morgen” mehr für Erdogans Regierung gibt, sie ist in ihrer letzten Phase. Dass er manche Personen, die er früher konfrontiert hat, die er persönlich ins Gefängnis geschickt hat oder für ihre Inhaftierung gesorgt hat nun an seine Seite genommen hat, ist ein Zeichen seiner Verzweiflung und weil er inzwischen inkompetent ist. 

Deswegen denke ich, dass es nicht korrekt ist seine Verzweiflung als die Kontrolle anderer über ihn zu definieren. Ich denke, dass er größtenteils immer noch fähig ist zu führen. Aber er ist nicht mehr imstande gut zu führen. Keine der Personen, die als Beweis dienen, dass er kontrolliert wird, stellen einzeln eine Macht dar. Beispielsweise die Partei Vatan: die Anzahl der Stimmen, die sie bekommt, steht fest, wie viele Personen sind sie in all diesen Jahren geworden? Eventuell kennen sich die Parteimitglieder bei Namen vielleicht kennen sie sogar die Wähler namentlich. Natürlich ist das nicht die Macht der Bewegung, sondern die Macht bestimmter Beziehungen der Bewegung. In diesem Sinne sehen wir, dass Erdogan gewisse Beziehungen mit Russland und China weiterentwickelt und dies auch so will. Aber ich denke nicht, dass er wirklich nur auf Russland und China angewiesen sein möchte. Vielleicht wird er das müssen, aber das sollten wir als einen anderen Punkt sehen. Erdogan versucht dennoch auf eine pragmatische Art und Weise weiterzumachen und die Lebensdauer seiner Regierung zu verlängern. Ich bin der Meinung, dass es voreilig und falsch ist seine Verzweiflung als eine Kapitulation zu bewerten.

Diejenigen, die diese Bewertung machen haben eine andere Eigenschaft: Sie haben irgendwann irgendwie an Erdogan geglaubt, ihm vertraut und haben ihn unterstützt. Sie möchten immer noch hoffen – sie wissen das ist ein neuer Ausdruck – sie möchten hoffnungsvoll sein, hoffen möchten sie. Insbesondere bei dem Kurdenkonflikt sehen sie keinen anderen Akteur, keine Alternative. Sie glauben nicht, dass irgendeine Opposition das kann. Deswegen möchten sie dennoch an Erdogan glauben. Sie haben so eine Verzweiflung. Das heißt, dass einige verzweifelte Beobachter Erdogans verzweifelte Schritte falsch auffassen und versuchen auf Erdogan Positivität zu richten. Beispielsweise erhoffen sie, dass Erdogan bei dem Kurdenkonflikt zu einer Lösung kommt, sie warten darauf. Es ist nicht mehr wirklich möglich. Selbst wenn glaube ich nicht, dass er die Menschen innerhalb und außerhalb überzeugen kann.

Durch die Verzögerung der Sendung aufgrund von technischen Problemen ist die Sendung etwas durcheinander geworden. Ich entschuldige mich dafür.

Aber ich möchte folgendes betonen: Gibt es einen “tiefen Staat” in der Türkei? Könnte sein, denn die Türkei liebt die “tiefe Staat” Kultur. Aber dieser “tiefe Staat” ist kein von Erdogan unabhängiger “tiefer Staat”. Es gibt ein Staat, der unter Erdogans Obhut, unter seiner Führung aufgebaut wurde. Der Staat beginnt und endet größtenteils mit Erdogan. Die Frage ist natürlich: Wird der Staatsbau, den er aufgebaut hat, Einfluss über Regierungen nach ihm haben? Das ist die eigentliche Frage. Deswegen glaube ich, dass der “tiefe Staat”-Gedanke der Gulenisten oder derer, die Hoffnung auf Erdogan setzen, um die Türkei zu demokratisieren, den Kurdenkonflikt zu lösen, keine Hilfe dabei ist die Türkei zu verstehen.

Es gibt ein Staat, der mit seinen Problemen existiert. Den Staat nicht regieren kann. Aber dieser Staat ist ein Staat, den Erdogan kontrolliert und nicht ein Staat der Erdogan kontrolliert. So beenden wir diese Woche. Das ist alles was ich zu sagen habe. Guten Tag.

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